German Volume Training

Hast du schon einmal vom „German Volume Training“ gehört? Tatsächlich sind wenige Trainingssysteme weltweit so bekannt, wie das GVT. Grund genug einen genaueren Blick darauf zu werfen.

Das GVT gibt es tatsächlich schon eine gefühlte Ewigkeit. Seinen Ursprung hat es im ostdeutschen Kraftsport. Richtig populär wurde es jedoch erst in den frühen Neunzigerjahren, federführend durch Charles Poliquin.

GVT mit einigen kernigen Aussagen in Verbindung gebracht. So finden sich häufig diese oder ähnliche Kommentare:

"GVT baut 5 Kilogramm Muskeln in kurzer Zeit auf!"
"Auch Profis legen damit Kraft und Masse zu!"
"Kraftsportler nutzen es für massive Zuwächse!"

Alleine diese Aussagen lassen schon einige Fragen aufkommen.

Aber lassen wir das für den Moment erst einmal so stehen. Schauen wir uns zunächst das GVT im Detail an, was es ist und wie es durchgeführt wird.

So funktioniert das German Volume Training

Das Belastungsschema im GVT ist sehr einprägsam, was sicher auch der Popularität genützt hat.

Du machst 10 Sätze einer Übung mit jeweils 10 Wiederholungen. Deshalb wird GVT auch manchmal als 10 x 10-Training bezeichnet.

Zwischen den Sätzen pausierst du 60 – 120 Sekunden. Als Gewicht wählst du 60 % deines 1RM.

1RM ist das Gewicht, was du in der jeweiligen Übung im aufgewärmten aber noch erholten Zustand nur ein einziges Mal bewältigen kannst. Es ist quasi ein Test für deine Maximalkraft und wird oft als Anhaltspunkt zur Bestimmung deiner Trainingsgewichte herangezogen.


Typischerweise sind mit 60 % vom 1RM 15 bis 20 Wiederholungen gut zu schaffen. Im GVT werden jedoch nie mehr als 10 Wiederholungen in einem Satz ausgeführt.

Aufgrund der hohen Satzanzahl und der relativ kurzen Pausen wird das Gewicht mit jedem weiteren Satz allerdings gefühlt schwerer.

Während sich die ersten Sätze relativ gut bewältigen lassen sammelt sich über die zahlreichen Sätze nach und nach immer mehr Vorermüdung an.

So wird es mit jedem weiteren Satz immer schwerer die angepeilten 10 Wiederholungen zu absolvieren. Die letzten Sätze sind häufig nur noch mit sehr hoher Anstrengung zu bewältigen.

GVT nach Charles Poliquin

In der Variante von Charles Poliquin werden zwei muskuläre Gegenspieler im Wechsel miteinander trainiert.

Beispielsweise könntest du zunächst einen Satz Bankdrücken mit anschließender Pause absolvieren. Der zweite Satz wäre dann vorgebeugtes Rudern, um dann nach anschließender Pause zum Bankdrücken zurückzukehren.

Im Anschluss an diese 20 Sätze mit je 10 Wiederholungen (wir sprechen hier über bereits 200 absolvierte Wiederholungen) werden häufig noch zwei ergänzende Übungen im Wechsel mit jeweils drei Sätzen absolviert.

Eine Aufteilung auf vier Tage in der Woche:

  • TAG 1 Brust und Rücken
  • TAG 2 vordere und hintere Beinmuskeln
  • TAG 3 Bizeps und Trizeps
  • TAG 4 Schultern und hintere Deltas

Der Gedanke hinter GVT ist die Anhäufung von Muskelermüdung. Es sind die Muskelfasern vom Typ-II, welche für das Volumen eines Muskels ausschlaggebend sind. Dieser Muskeltyp reagiert auf starke Ermüdung besonders gut mit Wachstum.

Während die ersten Sätze eigentlich zu leicht ausgeführt werden, um einen ausreichenden Reiz auf die Muskulatur zu bewirken, steigt der Grad der Erschöpfung an. Aufgrund der Vorermüdung fällt die Intensität in den letzten Sätzen einer Übung dann sehr hoch aus.

Doch zahlt sich diese Qual am Ende tatsächlich aus und kann von einem besseren Muskelaufbau profitiert werden?

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Wie effektiv ist GVT?

Inwiefern das Training mit einem derart hohen Volumen tatsächlich Vorteile bringt, wurde jüngst auch in Studien untersucht. Näher anschauen wollen wir uns zwei Studien über sechs und zwölf Wochen.

Studie: 5-Sätze vs. 10-Sätze über 6 Wochen

In der ersten Studie(1) von Amirthalingam et al. wurde über sechs Wochen der Vergleich zwischen zwei Gruppen gezogen.

Das gesamte Training wurde dazu auf drei Tage aufgeteilt. Jeder Tag umfasste zwei große Verbundübungen, welche durch drei anschließende Isolationsübungen ergänzt wurden.

Während die eine Gruppe das klassische GVT mit 10 Sätzen und 10 Wiederholungen absolvierte, trainierte die andere Gruppe in den ersten beiden Verbundübungen nur mit 5 Sätzen und 10 Wiederholungen.

Anzumerken ist, dass in beiden Gruppen auch mit mehr als den sonst üblichen 60 % vom 1RM trainiert wurde. Die Forschenden sprechen daher in der Studie von einem modifizierten GVT-Programm.

Nach sechs Wochen war bei den Teilnehmern in beiden Gruppen ein Aufbau fettfreier Körpermasse zu messen. Jedoch zeigte sich bei Messungen an Rumpf und Armen, dass die Gruppe mit den fünf absolvierten Sätzen mehr Muskeln aufgebaut hatten.

Die Gruppe, die also weniger trainiert hatte, konnte einen besseren Muskelaufbau vorweisen.

Studie: 5-Sätze vs. 10 Sätze über 12 Wochen

In einer weiteren Studie(2) von Hackett et al. schauten sich die Wissenschaftler einen längeren Zeitraum von zwölf Wochen an.

Nach den vorangegangenen Ergebnissen lautete die Hypothese, dass es für einen effektiven Muskelaufbau durch GVT mehr Zeit benötigt.

Das Design dieser Studie fiel sehr ähnlich der vorangegangen aus. Trainiert wurde ebenfalls an drei Tagen in der Woche mit drei unterschiedlichen Trainingseinheiten.

Die Gruppen waren ebenfalls wieder in eine 5-Satz und eine 10-Satz Gruppe unterteilt, welche mit 60 – 80 % ihrer 1RM trainierten.

Der einzige Unterschied zwischen den Gruppen war auch wieder die Anzahl der Sätze in den ersten beiden Übungen.

Während die eine Gruppe nach den ersten beiden Übungen bereits 200 Wiederholungen absolviert hatte, waren es bei der anderen „nur“ 100 Wiederholungen.

Auch in dieser Studie zeigte sich am Ende ein günstigeres Bild für das kürzere 5-Satz-Training. Werte für Kraft- und Muskelaufbau waren vergleichbar hoch oder unterschieden sich nicht signifikant voneinander.

So kommen die Autoren zu dem Schluss, dass mehr als fünf Sätze je Haupt-Übung keinen Zugewinn an Muskelmasse oder Kraft bedeuten.

Und bei aller Liebe zum Sport … Doch wenn du mit dem halben Aufwand das gleiche Ergebnis erzielst, dann handelt es sich ganz einfach um das bessere Programm.

Denn schließlich bedeutet dies auch mehr freie Zeit für ein ergänzendes Cardio Programm, mehr Zeit für die Regeneration und nicht zuletzt auch ein geringeres Verletzungsrisiko.

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GVT – Ja oder Nein?

Viele Erfahrungsberichte über GVT fallen jedoch positiv aus.

Wer sich für ein Programm begeistert und sich voll reinkniet wird ganz sicher Erfolge sehen. Das ist dem GVT gar nicht abzusprechen.

Ob dieser Einsatz am Ende tatsächlich klug ist, steht dann auf einem ganz anderen Blatt geschrieben.

Sicherlich kann mit GVT zuverlässig Muskelmasse aufgebaut werden, was die Studien auch gezeigt haben.

Allerdings wird dafür eine ganze Menge Einsatz abverlangt. Außerdem müssen Nachteile wie der zeitliche Aufwand und das höhere Verletzungsrisiko in Kauf genommen werden.

Fortgeschrittene können es als neuen Anreiz im Training sicher ausprobieren. Als verstetigtes Trainingssystem ist es wahrscheinlich schwierig auf Dauer beizubehalten.

Anfänger sollten hingegen von einem derart anspruchsvollen System Abstand nehmen. Die Gefahren einer unsauberen Übungsausführung, Übertraining und damit einhergehenden Verletzungen sind einfach viel zu hoch.

Was ist ein kluges Volumen?

Die simple Erkenntnis bleibt, es braucht nichts Ausgefallenes oder gar verrücktes für einen funktionierenden und effektiven Muskelaufbau.

Im Bodybuilding und Kraftsport wird immer wieder der alte Mythos vom „Viel hilft viel“ und „No Pain, No Gain“ aus der Schublade geholt. Obwohl, wir es inzwischen doch eigentlich besser wissen sollten.

Natürlich ist Fleiß und harte Arbeit notwendig. Ein Training darf anstrengend und fordernd sein, keine Frage. Du solltest dich jedoch auch nicht so lange abmühen, bis du halb tot auf dem Fußboden liegst.

Wie sieht ein sinnvoller Ansatz in der Praxis aus?

Aktuelle Empfehlungen raten dazu jede Muskelgruppe zwei bis dreimal in der Woche zu trainieren. Damit hat die Muskulatur ausreichend Zeit sich zu erholen, wird aber auch rechtzeitig wieder beansprucht.

Als wöchentliches Volumen sollten um die zehn Sätze je Muskelgruppe angepeilt werden.

  • Jeden Muskel zweimal in der Woche trainieren
  • 10 Trainingssätze pro Muskel in der Woche
  • Gewichte um die 80 % deines 1RM


Zum Vergleich:
Das Training nach GVT würde das dreifache Volumen bedeuten!

Fazit

Es kommt am Ende immer auf deine individuelle Situation an.

Wenn du gerade reichlich Schlaf bekommst, in einem Kalorienüberschuss bist und auch sonst kaum Stress hast, kannst du sicherlich etwas mehr trainieren.

In hektischeren Lebensumständen bietet es sich vielleicht an, das Volumen durchaus auch etwas zurückzunehmen.

Kennst du das GVT schon und welche Erfahrungen hast du gemacht? Schreib jetzt einen Kommentar.

 


 

Literatur

1. Amirthalingam T, Mavros Y, Wilson GC, Clarke JL, Mitchell L, Hackett DA. Effects of a Modified German Volume Training Program on Muscular Hypertrophy and Strength. J Strength Cond Res. November 2017;31(11):3109–19.
2. Hackett DA, Amirthalingam T, Mitchell L, Mavros Y, Wilson GC, Halaki M. Effects of a 12-Week Modified German Volume Training Program on Muscle Strength and Hypertrophy—A Pilot Study. Sports [Internet]. 29. Januar 2018 [zitiert 22. März 2021];6(1). Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5969184/

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